Gender-Schreibweise: Die Lösung für den gordischen Knoten

Es ist ja alles ein Murks.
Nicht wirklich gegendert
(Foto: Michael Süßmann/Pixabay)

Noch nicht einmal die Verfechter der gegenderten Schreibweise gehen so weit zu behaupten, Wörter wie Lehrer*innen, Beamt_in und Einbrecher:in sähen im Schriftbild besonders elegant aus. Gut, aussprechen kann man das, aber vollends sprachlich entgleist ist die Sache, sobald Pronomen und Adjektive hinzukommen: „Wir suchen eine/n erfahrene/n Lehrer*in, der bzw. die…“. Aber natürlich ist es berechtigt zu fordern, dass alle (!) im Boot sind. „Alle“ ist in diesem Fall ein eben doch eleganter Workaround, den ich schon im Jahr 2010 einmal erwähnt habe, der aber nicht überall funktioniert.

Also was tun?

Ich habe da eine Utopie im Sinn, die ich in meinem privaten und halböffentlichen Umfeld mitunter schon durchziehe. Die wird es aber (da bin ich Realist) schwerhaben, sich auf breiter Front zu etablieren. Obwohl diese Lösung, ich schwöre, mit einem Schlag alle wesentlichen Probleme pulverisiert, die sich beim Gendern stellen, ob in der geschriebenen oder gesprochenen Sprache. Das Prinzip ist sehr schlicht und braucht nur drei Regeln:

  1. Männliche, weibliche und Trans-Einzelpersonen werden entsprechend ihrem tatsächlichen Geschlecht grammatikalisch als Maskulinum bzw. Femininum behandelt. Dasselbe gilt für mehrere Exemplare derselben Sorte; dann halt im Plural. Also soweit alles wie bisher.
  2. In den Fällen, wo jetzt durch Gendersternchen, Binnen-I etc. gegendert wird, entfällt die männliche oder weibliche Endung und – aufpassen! – wird durch ein -y ersetzt, in der Mehrzahl -ys. Das Geschlecht ist dann Neutrum, auch bei Pronomen und Adjektiven; Beispiele siehe unten.
  3. Es gibt Bezeichnungen, bei denen Regel 2 knirschen würde, z. B. Friseur, Friseurin, Friesy* (!); die werden gesondert behandelt. Auch dazu gleich ein exemplarischer Vorschlag.
Es gibt zwei Wermutstropfen bei der Sache.

Erstens wird sich das Volk wenn überhaupt, nur langsam, schwer und teilweise murrend an das Neutrum und die neue y-Endung gewöhnen. Und zweitens müssten die Frauen damit leben, dass Pronomen im Neutrum auch weiterhin oft gleich sind wie im Maskulinum: „mein Helfy…“. Aber ich fürchte, bei einer dritte Endungsform für z. B. besitzanzeigende Fürwörter („meiny Helfy“) steigen die Leute endgültig aus.

So, jetzt die Beispiele und die Grenzfälle:

Wir suchen ein Lehry für unser Grundschulkollegium. – Das Zugführy ist Vorgesetzty des ICE-Personals. – Für Arbeitnehmys gilt … usw. Manche Wortendungen wirken dabei anfangs etwas unwillig: Polizisty, Innenministy, Gemüsehändly usw. Aber wenn Menschen sich an Auszubildende (statt Lehrlinge) gewöhnen, darf man doch etwas Hoffnung haben.

Was ist jetzt mit Friesy für den/die Friseur*in?

Too much! Warum nicht erstmal zum ursprünglich Französischen zurück: der Friseur, die Friseuse (bitte nicht mit ö!), und so bei allen, die auf -eur enden. Und jetzt kommts; gegendert dann auch französisch -ant. Jawohl, das Friesant, das Redaktant. Das ist vielleicht am Anfang ein bisschen lustig. Aber es hilft doch. Und ja, ich weiß, es kann sogar richtig lustig werden: der Charmeur, die Charmeuse… Sorry, aber damit muss ein Land klarkommen, in dem es auch behördlich so bezeichnete „Verrichtungsgelände“ für die Prosititution gibt. Dagegen ist es doch richtig nett, wenn eine nicht-binäre bezaubernde Person per definitionem ein Charmant ist.

Übrigens gebührt der Ruhm für Erfindung der y-Endung einem anderen, und zwar dem österreichischen Multikünstler Hermes Phettberg, der diese Genderschreibweise seit geraumer Zeit in seiner Kolumne „Phettbergs Predigtdienst“ im „Falter“ verwendet. Ob er sie wiederum von noch jemand anderem (Neutrum!) hat, das weiß ich nicht.

Was sagt der Duden zum Gendern?

Kurz und bündig zusammengefasst, gibt es online die Geschlechtergerechten Personenbezeichnungen des Duden. Daran halten Sie sich, wenn Sie es Menschen mit Germanistik-Hintergrund und konservativen Kräften rechtmachen wollen. In aller Ausführlichkeit und unter Einbeziehung auch der allermeisten gängigen Schreibewisen, die üblich geworden sind (Stand: 2020), aber eben „falsch“, vermittelt das Handbuch geschlechtergerechte Sprache aus dem Dudenverlag das Thema. (Unter dem Link gibt es auch das Inhaltsverzeichnis und eine Leseprobe. Persönliches Anliegen: beim örtlichen Buchhändler kaufen!)

* „Friesy“? Sie sehen hier ein Beispiel dafür, dass auch Orthographie-Profis manchmal, von ihren Sehnsüchten übermannt, Freudsche Rechtschreibfehler produzieren. Friesy ebenso wie das folgende Friesant würde die Leute an der Nordseeküste meinen – Haare geschnitten wird dagegen im Frisysalon.

2 Kommentare zu „Gender-Schreibweise: Die Lösung für den gordischen Knoten“

  1. Lieber Michael, ist ja eigentlich wirklich eine gute Lösung. Gefällt mir. Aber warum schreibst du den Friseur im Neutrum plötzlich mit ie? Sowohl bei Friesy als auch bei Friesant. Find ich interessant.
    Liebe Grüße
    Karin

    1. Danke, die Frage ist ebenso berechtigt wie peinlich – weil das „ie“ unabsichtlich und selbstverständlich fälschlich dahin gekommen ist. Ich kann mir das nur durch eine unterbewusst agierende Sehnsucht nach dem Meer erklären.

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