Im neuen Falter mokiert sich mein Lieblings-Chefredakteur Armin Thurnher über einen Brief von ÖBB-Chef Christian Kern zur Abschaffung der „Vorteilscard Presse“: Die gab es für Journalisten bisher zum halben Preis der normalen Vorteilscard und mit dem Privileg, ohne Aufpreis 1. Klasse zu fahren. Als was immer das gedacht war (Bestechung?) – diese Gunstbezeugung wird wohl kaum das Erscheinen ÖBB-kritischer Berichte verhindert haben. Denn jeder mit einem Presseausweis konnte sich diese Karte besorgen, 7.510 Personen haben das auch getan, und trotzdem haben die ÖBB keine wirklich gute Presse.
Wenn es eh nichts nutzt, wird sich Kern also gedacht haben, und andere Bahnkunden eh nur neidisch drauf sind, und wenn wir zudem einen strengen Sparkurs fahren… Das hört sich nun aber in Kerns Brief etwa so an:
Wir werden das Produkt Vorteilscard Presse aufgrund unserer neuen Compliance Richtlinien einstellen (…) Durch die Implementierung eines Code of Conduct und einer Antikorruptions-Stabsstelle mit weisungsfreiem Chief Compliance Officer verfolgen wir interne und externe Ziele: (…) die gesetzestreue, wirtschaftlich und sozial verantwortungsvolle Anbahnung und Abwicklung von Geschäften…
Abschließend hofft Kern auf das Verständnis der Ex-Privilegierten – ein bedauerlicher Fall von Realitätsverlust.
…und ein Paradebeispiel für Negativwerbung
Verständnis für die Streichung luxuriöser Leistungen gibt es auch in harten Zeiten sehr wohl – aber absolut nur unter zwei Bedingungen: glaubhafte Wirksamkeit und ehrliche Kommunikation. Beides fehlt in Kerns Brief. Denn:
Genau jetzt sind die ÖBB im Fall der Faymann-Inserate in einen Skandal ganz anderer Größenordnung verstrickt. Nun plötzlich radikale Korrektheit bei den „Peanuts“ Presse-Vorteilscards zu üben, erscheint als Alibihandlung. Und dabei treuherzig auf angebliche Beweggründe wie „internationale Gepflogenheiten“ zu verweisen, wird kein Journalist kabarettreif finden, der zukünftig mehr fürs Zugfahren zahlen soll.
Kunden wollen etwas anderes hören. Vielleicht schlicht und einfach, dass solche Vergünstigungen früher einmal ganz nett waren, aber inzwischen nur noch als peinlich empfunden werden, besonders bei ansonsten steigenden Ticketpreisen. Wenn man souverän genug ist, kann man noch mit einem Augenzwinkern hinzufügen, dass man momentan eh hart daran arbeitet, echte Gründe für eine positive Berichterstattung vorweisen zu können.
Entschuldigung, mit den ÖBB ist man einfach nicht so schnell fertig. Eine letzte Bemerkung: Dass Sie diese Mitteilungen kostenlos lesen können, entspricht auch in Zukunft meinem Compliance Management. Nur für Rat und Tat – damit Sie eine etwas bessere Presse als die ÖBB haben – bezahlen Sie ein maßvolles Honorar.
12. April 2012
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