Mit der Pünktlichkeit der Züge hat es nichts zu tun, auch nicht mit renovierten Bahnhöfen oder verbilligten Tickets. Ogilvy & Mather Deutschland hat für die Bahn eine Digitalkampagne unter dem Hashtag MehrZeitfürWesentliches kreiert. Sie soll „relevante Bahn-Geschichten im gesellschaftlich aktuellen Kontext“ (Antje Neubauer, DB-Marketing- und PR-Chefin) erzählen, wie schon die Vorgängerkampagne „ToleranzZeit“. Das geht so:
Tatsächlich: Hier kommt DB nicht einmal mehr als Drehort vor, nur im Abspann erscheint das Logo. Und – hat O & M der Bahn jetzt so ein nettes Content-Schnickschnack angedreht, das viele Menschen anklicken und teilen, das aber auch um drei Ecken nie etwas verkaufen wird? Weil das zwar handwerklich hübsches Storytelling ist, aber eben nicht die DB-Story erzählt? Wetten, dass die KollegInnen von der Kreativbranche schon bald so und ähnlich vom Leder ziehen werden?
„Content-Debatten von gestern“
… nennt Neubauer das auf horizont.net, weil „die Grenzen zwischen klassischer Werbung, Content Marketing und Big Data immer weiter verschmelzen.“ Wo sie recht hat, hat sie recht. Nämlich obwohl Marketing-Analysten jetzt vielleicht über Ogilvy & Mather herfallen und mit smarten Metriken argumentieren, dass mit dieser Kampagne aus unterschiedlichsten Gründen kein ROI zu holen sein wird (vulgo: rausgeschmissenes Geld)! Das wird dann vielleicht die Werbebranche aufregen; das werte Publikum hingegen wird mit überwältigender Mehrheit die Aussage der Spots – publiziert wird jedes Sujet einzeln – mit denkbar großer Zustimmung zur Kenntnis nehmen und wahrscheinlich schon mal die versammelten Nerds der Generationen late-Y bis Z damit nerven.
Warum das gutes Content Marketing und gutes Storytelling ist? – Ganz grob vereinfacht: Weil erlaubt ist, was gefällt! Es ist kein Dogma, dass jede Aussage eines Unternehmens etwas mit seinem Produkt zu tun haben muss. Und wenn es ein Dogma ist, dann ist es eine Irrlehre. Von mir aus ist es Sympathiewerbung in Content-Verkleidung. Jeder Mensch und jedes Unternehmen kann zwischendurch irgend etwas Freundliches von sich geben. Es ist OK.
What about unzuverlässige ICEs und Wolfsburg?
Natürlich schafft diese Kampagne weder alte noch neue Pannen der Bahn aus der Welt. Der einzig denkbare Fehler wäre zu versuchen, diese und ähnliche Spots eben dafür zu instrumentalisieren. Sie sollten sogar bewusst von Peinlichkeiten der Bahn ferngehalten werden. Pannen sind Sache der Produktentwicklung und des Krisenmanagements. Die Story, die diese Kampagnen von Ogilvy & Mather erzählen, haben eher so einen Effekt, wie ihn exzellente Zugchefs hervorrufen: Je nach Situation gutgelaunt oder mitfühlend und -leidend, lassen sie die Bahn als etwas erscheinen, dass – manchmal trotz allem – eben auch etwas Nettes an sich hat.
Und zum guten Schluss: So radikal unverbunden mit dem Corporate Image von DB ist die Kampagne in Wirklichkeit gar nicht. Denn „…Zeit, was Echtes zu erleben“ bietet das Reisen doch, vielleicht sogar besonders das Bahnreisen. Also stimmt die Story ja wieder.
Wollen Sie auch so etwas? Muss ja kein Video sein. Hier ist meine Idee, wie Storytelling geht, in aller Kürze.
10. April 2018
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