Kundenservice – Best Practice aus Schweden ohne Kuh

Nach dem Horrorbeispiel aus der Servicewüste im Bereich Mietwagen jetzt eine selbst erlebte Gegenerfahrung: exzellentes Beschwerdemanagement eines auch sonst sehr munter wirkenden Unternehmens aus der Lebensmittelbranche. Die schwedische Oatly AB stellt „Milch“-Produkte aus Hafer mit dem Hinweis „Wow – No Cow!“ her. Die hier abgebildete Barista Edition des Haferdrinks ist der erste und bisher einzige Ersatz für Kuhmilch oder Sahne, die ich meinem Kaffee mit gutem Gewissen zumute, und zwar gerne und ohne im Strahl zu kotzen.

Zur Sache: Man muss die Packung kurz schütteln, bevor man sich Oatly einschüttet. Kein Ding – außer wenn der Verschluss nach dem ersten Öffnen nicht ganz dicht ist, was zuletzt mehr als einmal vorgekommen ist. Bei einem Artikel, der rund doppelt so teuer ist wie das Produkt, das er ersetzt, da muss aber die Fertigungstechnik für die Verpackung so etwas schon im Griff haben, finde ich.

Wenn der Deckel mehrmals leckt

Als ich an einem Freitagmorgen wieder einmal mit Haferdrink kontaminierte Finger hatte, schickte ich dem Unternehmen einen höflichen aber bestimmten Hinweis über das Beschwerdeformular auf der Oatly-Website. Englisch, aber unkompliziert. Erste Überraschung: Kaum mehr als drei Stunden später antwortete eine Marlene vom „Commmunity Management“. Und zwar ausführlich. Spaß als Texter hatte ich schon mit der Einleitung. Die war witzig formuliert, ohne mein Anliegen auf die leichte Schulter zu nehmen: „First of all, we would like to send you a very warm welcome to the Post Milk Generation! Of course, we are less pleased that you had repeated problems with the cap of the Barista Edition, because a leaky cap is not only annoying, but also an unnecessary waste of this oatlicious-tasting product. Therefore, we would like to apologize to you.“

Nach diesem Warming-up folgte nicht etwa das übliche Blabla, sondern ein glaubhaft geschilderter Ansatz, sich des Problems zu widmen: Die Packungen sind natürlich an einen externen Hersteller ausgelagert, bei dem wurde das von anderen Kund:innen schon zuvor berichtete Phänomen bereits angegangen, und: „I can assure you that we are working on a solution so that in the future every drop of oat drink really ends up where it belongs – and not on the kitchen floor.“

Damit nicht genug. Ich werde auch noch freundlich gebeten, dem Quality Management Department sachdienliche Hinweise in Form eines Fotos mit der Chargennummer zu liefern, damit sie das Problem dort einkreisen können. Ich fühle ich mich nun ernsthaft nützlich und folge der Bitte umso lieber, als sie versichern: „That would be really fantastic and super helpful for us! If you don’t have such a package, you might want to do so the next time the problem occurs (fingers crossed that it doesn’t).“ Ich meinerseits revanchiere mich mit verbalem Beifall: „Your super quick and detailed response is an excellent example for professional CRM–congrats from my side.“

Mit klimafreundlichen Grüßen

Die entzückte Antwort von Marlene kommt wieder postwendend und schließt den Vorgang wortspielerisch (was die werblichen Nebenbemerkungen stilistisch gekonnt ironisiert) ab:
„Hej Michael,
thank you l-oat-s for your friendly response and those kind words – means a lot to us! Aaaand of course a huge Gracias for the pictures of your oat drink. Thanks to your precious feedback I have already been able to pass this case on to our Swedish team of experts. So I keep my fingers crossed that your next packages of oat drink will stand out with nothing but pure oatsomeness, but please feel free to reach out again in case you get your hands on another packaging with a leaky cap. I wish you a fantastic weekend with lots of late-breafast-capp-oat-ccinos!
Climate-friendly regards“

Ich mag durch coole Texte berufsbedingt verführbarer sein als die breite Masse, aber auch wer das nicht auf fachlicher Ebene zu schätzen weiß, wird auf solche Reaktionen kaum anders als mit einem Sympathiezuwachs reagieren. Abgesehen vom professionellen Beschwerdemanagement ist diese Kommunikation auch in eine Tonalität eingebettet, die das ganze Corporate Wording prägt.

Die Packungen tragen originell formulierte Produktinformationen; auch Oatlys Website ist von lockeren Sprüchen durchzogen; ein Call-to-action-Button ruft dazu auf, eine Resolution an eine internationale Barista-Vereinigung zu unterstützen; und in Sachen Storytelling sind die Schweden ebenfalls gut aufgestellt. Das geht hin bis zum Bericht über eine Reise nach England, weil ausgewiesene Teeliebhaber dort wohl festgestellt haben, dass Oatly im Tee wirklich beschissen schmeckt – wörtlich: wie “Satan’s diarrhea”. Das Marketing-Team fand, man müsse der Sache nachgehen, und das Ergebnis ist eine mit mehreren Videos gespickte, britisch-schwedisch-skurrile Markenstory vom Feinsten, wieder inklusive der an vielen Stellen durchblitzenden Selbstironie.

Selbst der hohe ökologische Anspruch kommt auf diese Weise eingängig über die Rampe. Eine der „Infrequently Asked Questions“ auf den Packungen lautet: „If oat drink really helps the planet, can I just pour it directly into the earth?“ Das wird mit heiligem Unernst eingehend beantwortet, und man fühlt sich danach etwas klüger und zugleich gut unterhalten. Mehr kann ich doch von gutem Marketing nicht verlangen. Die Produktion ist übrigens 2021 um 57 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen.

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